Tom Scheuchl aus Liezen unternahm am 5. Februar 2021 eine Wanderung auf den Tressenstein (1.196 m). Beim Abstieg, 200 Höhenmeter unter dem Gipfel, rutschte Tom aus, stürzte ab und kam im unwegsamen und alpinen Gelände schwer verletzt zu liegen. Seither hat sich vieles beim jungen Ennstaler geändert. Wir haben uns mit Tom und seiner Lebensretterin Stefanie zu einer Reflexion der Ereignisse getroffen.
Geplant war eine schnelle Runde nach der Arbeit, ist doch der Tressenstein unweit des Grimmings quasi der Hausberg von Tom. So startete der 35-Jährige gegen 15 Uhr rauf zum Gipfel, alles war so wie immer. Doch plötzlich, kurz nach 17 Uhr, bekam Schwägerin und treue Tourenpartnerin Stefanie eine Whatsapp-Nachricht von Tom. Inhalt der Nachricht: „Ich bin abgestürzt, Akku ist gleich leer.“ Zusätzlich folgten die Standortdaten. „Ich habe gewusst, wenn ich Stefanie eine Nachricht schreibe, sie liest das sofort. Sie hat doch immer ihr Handy in der Nähe.“ Stefanie war zu diesem Zeitpunkt im Dienst, sie arbeitet als Krankenschwester im Krankenhaus in Schwarzach. Sofort nach Erhalt der SOS-Nachricht von Tom hat sie zurückgerufen. Tom antwortete, er sei am Tressenstein abgestürzt. Auf die Frage, ob er bereits einen Notruf abgesetzt habe, antwortete Tom verwirrt: „Ich bin mir nicht sicher.“ Daraufhin ging es Schlag auf Schlag. „Ich habe mich sofort ins Auto gesetzt und auf den Weg gemacht“, erzählt Stefanie. „Ich habe nochmals den Alpinnotruf 140 gewählt, um mich zu vergewissern, dass die Rettungskette anläuft.“ So war es dann auch. Tom konnte nach seinem Absturz über felsiges Gelände noch selbst die Einsatzkräfte alarmieren. Die Bergrettung Stainach und der ÖAMTC-Notarzthubschrauber Christophorus 14 waren bereits am Weg.
Treffpunkt sofort
„Ich kann mich noch gut erinnern. Der Einsatzort war zu Beginn nicht genau lokalisierbar, der Kontakt zum Verunfallten war schwierig. Wir konnten uns aber an den übermittelten Koordinaten orientieren und machten uns auf die Suche“, beschreibt Andreas Schachner, Einsatzleiter der Bergrettung Stainach, die ersten Minuten des Einsatzes. „Um 17:29 Uhr wurden wir alarmiert, es war dunkel, nass, rutschig und eiskalt. Der Einsatz war sehr fordernd, wir mussten Tom nach erfolgreicher Lokalisierung im unwegsamen, steilen Gelände gemeinsam mit der Crew des ÖAMTC-Notarzthubschraubers erstversorgen und dann mit einer Spezialtrage hunderte Meter zu einer Forststraße abseilen. Dort wartete Christophorus 14 und flog den Schwerverletzten ins Krankenhaus Schladming.“ Insgesamt waren 25 alpine Rettungskräfte von Bergrettung, Feuerwehr, Alpinpolizei und ÖAMTC-Flugrettung rund vier Stunden im Einsatz.
Überlebensmodus
„Ich war immer bei Bewusstsein, ich habe alles mitbekommen. Das Kreisen des Hubschraubers über mir. Die Stimmen, die Geräusche der sich nähernden Retter. Ich habe funktioniert“, so beschreibt Tom das bange Warten auf seine Retter. „Beim Notruf hatte mein Handy drei Prozent Akku, als die Retter bei mir waren, war es nur mehr ein Prozent. Auch mein Handy war im Überlebensmodus“, schmunzelt der 35-jährige Liezener.
Thank you
„Die Schnelllebigkeit, man geht geschwind noch wo rauf“, diese Aussage hat Stefanie selbst schon oft in den Mund genommen. „Man erwischt sich immer wieder selbst dabei“, ergänzt auch Tom. Ohne nachzudenken. Ist es wirklich klug, ohne konkrete Planung, auch wenn es sich „nur“ um eine After-Work-Tour auf den Hausberg handelt, um 15 Uhr aufzubrechen? Eine Stunde bevor es dämmert. Alleine? „Toms Unfall, er hat uns wachgerüttelt“, appelliert Stefanie.
Gipfelmoment
„Beim Reinfahren von Schwarzach habe ich Toms Gipfelfoto- Posting auf Instagram gesehen. Das geht mir bis heute nicht mehr aus dem Kopf. Du postest für deine Community ein Bild und wenige Minuten später liegst du schwer verletzt am Boden. Unfälle können passieren. Es braucht aber mehr Achtsamkeit im Umgang mit den Neuen Medien“, philosophiert Stefanie selbstkritisch über die Art unserer Kommunikation.
198 Tage später
Bereits im Krankenhaus hat Tom für sich beschlossen: „Ich kämpfe mich wieder auf die Berge zurück.“ Körperlich, aber auch mental war sein Polytrauma herausfordernd. Nichtsdestotrotz stand Tom 198 Tage später zufrieden wieder am Gipfel des Tressensteins, auch um mit dem Unfall abschließen zu können. „Bevor ich in den Notarzthubschrauber geschoben wurde, habe ich noch zu den Bergrettern gesagt, sie sollen heute noch ordentlich jausnen. Die Rechnung geht auf mich.“ Und so kam es auch zu einem freundlichen Treffen mit seinen Rettern nach dem Unfall.