Neben Alpineinsätzen in den Wintermonaten sind die freiwilligen Bergretter*innen in der Steiermark besonders im organisierten Skiraum gefordert. Bei einer Vielzahl der Skigebiete kümmern sich unsere Ortsstellen gemeinsam mit dem Liftbetreiber um den Rettungsdienst auf der Piste. In den übrigen Gebieten übernimmt dies der Liftbetreiber zur Gänze. Stellvertretend habe ich Robert Speer und seine Pistenretter*innen am Hauser Kaibling besucht.
Text & Fotos: Enrico Radaelli
Anders als gedacht
Ein sonniger Tag auf der Piste zeichnet sich bereits bei meiner Anreise nach Haus im Ennstal ab. Bei der Talstation angekommen, bemerke ich, dass ich um 08:30 Uhr nicht der Erste heute hier bin. Vom Seilbahnpersonal werde ich zu meinem Parkplatz dirigiert und mach mich auf den Weg bergwärts. „Ganz rauf mit der Quattralpina, rechts aussteigen und dann runter zur Krummholzhütte – gegenüber ist unsere Hütte“, so hat mir Robert Speer, Ortsstellenleiter der Bergrettung Haus im Ennstal, noch bei der Anfahrt den schnellsten Weg beschrieben. „Fürs Fotografieren ist alles schon vorbereitet.“ „Gschofft?“, so werde ich von Robert begrüßt, die Bergrettungshütte und die davorstehenden Skidoos und Ackjas glitzern in der Morgensonne. Ich schnalle die Skier ab, stelle meinen Rucksack auf den Boden und will gerade beim Begrüßungs-Smalltalk mit Robert, der heute selbst Pistenretterdienst versieht, auf meine redaktionellen Wünsche eingehen, als sich die Türe der Bergrettungshütte von innen öffnet und ein Alpinpolizist herauskommt und zu Robert in tiefer und ruhiger Stimme sagt: „Piste 2a, Schoarl, Kollision, Beckenverletzung.“ „Auf geht’s!“ Reini, ein weiterer Pistenretter, kommt kurz darauf aus der Hütte, setzt sich seinen Helm auf und steigt aufs Skidoo. Robert nimmt den Ackja, Alpinpolizist
Christian und ich hinterher.
Von jetzt auf sofort
Jeder Handgriff sitzt, eine Portion Coolness ist natürlich dabei, aber das macht uns Bergretter*innen doch ein wenig aus, in Notsituationen einen klaren Kopf und den Überblick zu bewahren. Einige Schwünge später haben wir den Unfallort erreicht. Christian, der Alpinpolizist, macht sich einen Überblick, sucht nach dem unverletzten Unfallbeteiligten und kümmert sich um die Absicherung der Piste. Robert und Reini eilen dem Verletzten zu Hilfe. Ein 60-jähriger Tagesgast aus der Region wollte eigentlich heute das schöne Wetter und die Piste genießen, aber leider kam er zu Sturz. Er wird von den beiden Pistenrettern notfallmedizinisch erstversorgt. Aufgrund der bestätigten Verdachtsdiagnose, der starken Schmerzen und für einen schonenden Transport greift Robert zum Handy und fordert über die Rettungsleitstelle einen Notarzthubschrauber an. Zwischenzeitlich trifft auch eine Mannschaft vom Pistenteam ein. Darunter ist Thomas, gemeinsam mit ihm habe ich meine Grundausbildung absolviert. Ohne Hektik und fast wortlos wird 50 Höhenmeter unterhalb des Unfallorts ein Landeplatz für den Notarzthubschrauber vorbereitet. Dazu wird die Piste mit einem Zaun und Kennzeichnungstafeln abgesperrt. Das Pistenteam versucht zusätzlich, mit Handzeichen die Massen an Skifahrern umzuleiten, zu stoppen und über die Landung des Hubschraubers in Kenntnis zu setzen. „Bergrettung Haus, Christophorus 99 gestartet, Eintreffen in drei Minuten!”, kündigt sich der ÖAMTC-Notarzthubschrauber via Funk an und landet vor einer beachtlichen Zahl an Schaulustigen am von Thomas und seinen Kollegen vorbereiteten Landeplatz. Robert und Reini haben inzwischen gemeinsam den verletzten Skifahrer zum Abtransport vorbereitet. Robert bringt behutsam und schonend den Ackja in Richtung Landeplatz. Notärztin und Flugretter steigen aus und schon fährt auch Robert mit dem Ackja vor den C99. „Das ist Günter, 60 Jahre alt, gestürzt und klagt über Schmerzen im Beckenbereich. Er war nicht bewusstlos, ist ansprechbar und orientiert”, mit diesen Worten übergibt Pistenretter Robert den Patienten in die helfenden Hände der ÖAMTC-Flugrettung. Nach einem Check und kurzer Versorgung durch die Notärztin heißt es: „Ab nach Schladming!” Gemeinsam wird der Patient in den Christophorus-Hubschrauber verladen und der C99 hebt ab in Richtung Krankenhaus. Robert und Reini machen noch am Pistenrand ihr Skidoo, den Ackja, Notfallrucksack und Co. wieder einsatzbereit. Danach geht es wieder zügig zurück zum Stützpunkt der Pistenretter in die Bergrettungshütte.
Mittendrin statt nur dabei
Endlich Zeit für das Interview, denke ich mir. Robert serviert Kaffee, ich steuere ein mitgebrachtes Frühstück bei und während der Papierkram (Patientenprotokoll, Unfallbericht, syBOS-Einsatzbericht) von Reini und Robert erledigt wird, kann ich meine Fragen stellen. Aber weit komme ich dabei nicht. Robert ist 43 Jahre alt, seit Oktober 2021 Ortsstellenleiter der Bergrettung Haus im Ennstal, zuvor war er Einsatzleiter. Der gelernte Tischler ist heute lieber Spengler. „Mein Vater Kurt hat schon massiv dazu beigetragen, dass ich heute in der ersten Reihe stehe. Ich liebe meinen Job als Bergretter, jede Situation ist anders. Ich muss flexibel sein und mein Wissen und meine Fähigkeiten in Stresssituationen abrufen, meist mehrsprachig.“
Altbergretter Kurt Speer ist kein Unbekannter in der Region und auch darüber hinaus. Pensionierter Alpinpolizist, Bergführer und Flugretter, mischt er noch heute als Altbergretter mit und geizt nicht mit gutem Rat für Robert. Das Telefon klingelt: „Bergrettung Haus, Robert!“ Robert greift nach dem Kugelschreiber und schreibt mit. „Ja, ja, okay, ich schick jemanden.“ Während des Telefonats liest Reini die niedergeschriebenen Worte mit, nickt und macht sich bereits auf den Weg zum nächsten Einsatz. Danach erzählt mir Robert, dass er Skibob-Staatsmeister ist. Bevor ich genauer nachfragen kann, läutet das Telefon erneut. „Bergrettung Haus, Robert!“ „Knieverletzung beim Höfi-Express, bin schon am Weg.“ Und so sind nur mehr Polizist Christian und ich übrig. Kurz darauf meldet sich Thomas vom Pistenteam über Funk bei uns und meldet eine gestürzte Skifahrerin. Polizist Christian und ich machen uns auf den Weg. Vor Ort treffen wir auf eine Urlauberin mit einer Knieverletzung. Gemeinsam versorgen wir die Dame und Thomas bringt sie mit seinem Skidoo zum angeforderten Rettungswagen. Und so ähnlich geht es an diesem Tag weiter. Bis Dienstschluss werden die Pistenretter am Hauser Kaibling gemeinsam mit dem Pistenteam zu 16 Einsätzen gerufen, viermal unterstützt von der ÖAMTC-Flugrettung.